HANDBALL

Wael Ben Youssef fiebert mit Tunesien
HandballDer Halblinke drückt seinem Heimatland beim Afrika-Cup die Daumen. Zukunft beim MTV ungewiss

Wael Ben Youssef fiebert mit Tunesien HandballDer Halblinke drückt seinem Heimatland beim Afrika-Cup die Daumen. Zukunft beim MTV ungewiss

Der fußballbegeisterte Tunesier Wael Ben Youssef zählte zuletzt stets zu den stärksten Dinslakenern auf dem Feld. Wie lange er noch das MTV-Trikot tragen wird, ist aktuell aber ziemlich unsicher. Lars Fröhlich FFS
Dinslaken Wo andere Urlaub machen, da besucht Wael Ben Youssef seine Familie. Auch den Jahreswechsel verbrachte der Handballer des Regionalligisten MTV Rheinwacht in der Heimat bei 20 Grad und durchweg blauem Himmel. Keineswegs außergewöhnliche Bedingungen für die tunesische Hafenstadt Sousse, wenn in Deutschland gebibbert wird. Bei den Eltern am Mittelmeer hat der Dinslakener Rückraumspieler nicht nur Sonne getankt, sondern auch schon viel von der Vorfreude aufsaugen können, die vor dem Start des Afrika-Cups, dem kontinentalen Fußballturnier der Nationalmannschaften, überall herrschte. In Kamerun zählt Tunesien, das 2004 im eigenen Land den bislang einzigen Titel holte, zu den Mitfavoriten. Am Mittwoch um 14 Uhr (MEZ) bestreiten „Les Aigles de Carthage“ (Die Adler von Karthago) ihr erstes Gruppenspiel gegen Mali. Weitere Gegner in der Vorrunde sind Mauretanien (Sonntag, 16. Januar, 17 Uhr) und Gambia (Donnerstag, 20. Januar, 20 Uhr).

Mannschaftliche Geschlossenheit
Ben Youssef wird die Partien von Deutschland aus – so gut es berufliche und sportliche Verpflichtungen zulassen – verfolgen. Das Turnier verspricht für ihn vor allem eines: Spannung. „Die Gruppenphase sollte auf jeden Fall machbar sein, aber danach wird es richtig eng. Ich sehe da sieben bis acht Mannschaften auf einem starken Niveau. Tunesien zählt sicher dazu, kann aber auch gegen jedes der anderen Teams verlieren“, meint der MTV-Akteur. Zu den Favoriten zählt er unter anderem auch den Nachbarn Algerien, der Tunesien im Finale des FIFA-Arab-Cups im Dezember nach lange ausgeglichenem Match mit 2:0 besiegte. Oder Gastgeber Kamerun wegen des vermeintlichen Heimvorteils.

Die Stärke des tunesischen Teams liege in der mannschaftlichen Geschlossenheit: „Wir haben nicht den Superstar wie zum Beispiel Ägypten mit Salah, sind dafür aber gut eingespielt und kampfstark“, sagt Ben Youssef. Gespannt ist er insbesondere auf den Auftritt des 18-jährigen Toptalents Hannibal Mejbri, der seit 2020 bei Manchester United unter Vertrag steht. Hoch sind die Erwartungen natürlich auch bei Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri vom 1. FC Köln, der vor kurzem in seinem Heimatland zum Spieler des Jahres gewählt wurde.

Wie in Deutschland ist auch in Tunesien Fußball die dominierende Sportart. Ben Youssef, der als Kind neben der Leichtathletik selbst gekickt hat, kann sich noch gut an die große Party nach dem Gewinn des Afrika-Cups vor knapp 18 Jahren erinnern. Aber auch der Handball, den er erst auf Vorschlag einer Lehrerin im Alter von 14 für sich entdeckte, hat im nordafrikanischen Staat mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert, ist die klare Nummer zwei. „Mittlerweile wird es sogar auf der Straße gespielt“, erzählt der Rheinwacht-Halblinke, „es gibt da richtige Turniere, ähnlich wie in Europa beim Basketball.“

Wie lange er selbst, der in den letzten Spielen vor der Weihnachtspause stets zu den stärksten Dinslakenern gehörte, noch das MTV-Trikot trägt, ist aktuell unsicher. Ben Youssef wohnt mit seiner Frau und dem einjährigen Sohn in Menden. Die gemütliche Stadt im Sauerland soll auch der Lebensmittelpunkt der kleinen Familie bleiben. Der fahrerische Aufwand für Training und Spiele ist damit enorm. Zumal der 27-Jährige auch noch in einem Düsseldorfer Kulturzentrum arbeitet. Der derzeitige Job als Teamleiter in einer Dinslakener Corona-Teststation ist zeitlich begrenzt. „Momentan fahre ich zwischen Menden, Düsseldorf und Dinslaken hin und her. Da kommen viele Kilometer zusammen“, seufzt Ben Youssef, der nach manchem Training erst gegen Mitternacht wieder zu Hause ist.

Auf die Dauer kann er sich das nur schwer vorstellen, die Saison will Ben Youssef aber auf jeden Fall durchziehen: „Die Mannschaft ist mir ans Herz gewachsen. Ich will niemanden im Stich lassen“, sagt der Tunesier. Egal ob er den Verein am Ende der Spielzeit verlässt oder nicht, vom Klassenerhalt ist der Modellathlet, der sowohl im Eins-gegen-Eins als auch aus der zweiten Reihe seine Stärken hat und dazu ein guter Abwehrspieler ist, überzeugt: „Wir haben in den Spielen vor der Pause neues Selbstvertrauen getankt. Das Training macht Spaß und die Atmosphäre im Team ist richtig gut. Dann kommt vieles automatisch“, sagt Ben Youssef.

Am Samstag um 19.30 Uhr steht für den MTV beim Neusser HV mit der vorletzten Partie der Hinrunde der Pflichtspielauftakt 2022 auf dem Programm. Eine schwierige Aufgabe, doch für Ben Youssef gilt beim MTV mittlerweile dasselbe Credo wie für die tunesischen Adler: „Wir können gegen jede Mannschaft bestehen.“

Timo Kiwitz